«Why»-Nachten

Haben Sie Ihre Weihnachtsgeschenke schon beisammen, oder sind Sie eher «Team last minute» oder gar «Team muss gar nicht sein»?

Es ist ja hochinteressant: Seit 2000 Jahren bereiten sich die Christen, egal ob praktizierend oder Passivmitglied, ja sogar Kirchenferne, jedes Jahr wieder aufwendig auf den 24. Dezember vor. Wie kommt der datumsmässig umstrittene Geburtstag eines Kindes dazu, das Feierlichste aller Feste zu sein? «Früher war mehr Lametta» ist ein legendärer Ausspruch von Loriot. In der Kindheit war Weihnachten mit so vielen Emotionen verbunden. Wenn man selber Kinder hat, erlebt man dies nochmals intensiv. Später verblassen diese Emotionen, es bleiben ein relativ hektischer Dezember und allgemeine Erschöpfung. Es wird immer anspruchsvoller, den Sinn, das «Why» von Weihnachten zu spüren und aufrechtzuerhalten, vielleicht sogar weiterzuentwickeln. Weihnachten ist das Fest der Liebe, darauf können sich alle grundsätzlich einigen. Mein Lieblings-Weihnachts-Aphorismus ist von Engelbert Schinkel: «Wenn Weihnachten das Fest der Liebe ist, warum ist dann Weihnachten nur an Weihnachten?» Und ein anderer von Satiriker Kurt Tucholsky, der etwas Überlegen erfordert: «Ausgerechnet an Weihnachten werden viele Menschen daran erinnert, dass sie nichts geschenkt bekommen.»

Mich persönlich hat die Kommerzialisierung von Weihnachten nie interessiert. Jeder kann dies selber entscheiden, im Leben muss man, wenn man es genau besieht, wenig, ausser irgendwann sterben (bis dann hat man hoffentlich immer gut und leidenschaftlich gelebt) und Steuern zahlen. In unserer Familie haben wir unter Erwachsenen die Weihnachtsgeschenke schon vor 20 Jahren abgeschafft. Wenn es etwas gibt – auch nur Kleines, Persönliches – ist es immer eine schöne Überraschung. Auch die Kinder haben wenig Materielles bekommen, mit den Geschenken von Gotti/Götti kommt eh genug zusammen. Wir gaben unseren Kindern auf den Weg, dass zu Weihnachten gemeinsame Erlebnisse gehören, lustige, gesellige Stunden, draussen sein, sich etwas erzählen. Das ist das grösste Geschenk. Materielle Geschenke sind Beilage, müssen nicht sein. So müssen wir nie ins Ausland shoppen gehen, kaum online bestellen und brauchen keine Einkaufstouren an «verkaufsoffenen Sonntagen». Für mich ist Weihnachten, wenn die letzte Zeitung des Jahres bei der Leserschaft ist, der Silvesterlauf erfolgreich und glückselig absolviert ist und wir über die Festtage in die Natur raus können.

Viel Glück auf der Suche nach der Essenz, dem Zauber von Weihnachten und viel Musse für gute Lektüre, auch an den schönen Tagen zwischen den Jahren.

Karl Heinz Odermatt