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Beat Bechtold: «Es ist ein Fakt, dass wir auf Arbeitskräfte angewiesen sind»

Die Aargauer Wirtschaft ist für 2023 erstaunlich positiv gestimmt. Allerdings finden die Unternehmen kaum neue Leute. Umso wichtiger sei für sie der Zustrom von qualifiziertem Personal aus dem Ausland, sagt Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer im zt Talk.

Seit Jahren ist die Aargauer Wirtschaft Krisen und Schocks ausgeliefert: Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise, Fachkräftemangel, gestörte Lieferketten. Bisher haben die Unternehmen diese Widrigkeiten gut wegsteckt. Die konjunkturelle Stimmung ist nach wie vor gut. Das ist das Fazit der neusten Wirtschaftsumfrage der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK). 461 von 1391 angefragten Unternehmen haben an der Umfrage teilgenommen.

«Optimismus erstaunt mich»

AIHK-Direktor Beat Bechtold hat im Laufe des Jahres 2022 mit vielen Unternehmen Gespräche geführt – da gab es einige besorgte Stimmen. Aber trotz der Kumulation der Herausforderungen – Ukrainekrise, Energiemangellage, Arbeitskräftemangel, Inflation – ist das Gesamtbild in der Rückschau positiv. «Vielleicht haben sich die einen oder anderen gesagt, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können; deshalb schätzen sie die Lage positiv ein», sagt er. «Der Optimismus, den wir gespürt haben, erstaunt mich» – auch deshalb, weil die umliegenden Länder mit der Krise noch viel schärfer konfrontiert sind. «Das hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Industrie, die sehr exportorientiert ist.» Trotz des Schreckensszenarios einer Rezession in manchen europäischen Ländern sind die Aargauer Unternehmen unter dem Strich für die Zukunft positiv gestimmt.

Immer weniger wollen 100 Prozent arbeiten

Die Fachkräftemangel habe sich in den letzten Monaten noch einmal akzentuiert. «Da sieht man überall, wenn durch den Aargau fährt: Die offenen Stellen sind bei den Unternehmen angeschrieben.» Dazu kommt, dass viele Angestellte nicht mehr mit einem 100-Prozent-Pensum arbeiten wollen.

Einerseits sind Unternehmen froh, wenn sie überhaupt noch Leute einstellen können; lieber stellen sie jemanden in einem Teilzeit-Pensum ein als gar niemanden. Allerdings steigt für die Unternehmen damit der Personalaufwand deutlich. «In dieser Beziehung hat sich die Situation aus Arbeitgebersicht markant verschlechtert.» Auf der anderen Seite sind Arbeitnehmer in einer guten Position – sie können auswählen.

«Inländischen Stromproduktion zügig vorantreiben»

Bechtold fordert, dass der Ausbau der inländischen Stromproduktion zügig vorangetrieben wird. «Wir diskutieren jetzt über Solaranlagen in den Bergen, beispielsweise im Wallis. Dort muss alles zugebaut werden, auch, um den Strom abzuführen. Und bei Schnee wären die Anlagen bedeckt.» Die Schweiz verfüge über sehr viele stabile Industriebauten, auf denen Solarpanels montiert werden könnten. «Und sie wären schnell am Stromnetz angeschlossen.» Solaranlagen auf Industriegebäuden wären effizienter und weniger störend als solche an Felswänden. «Hier braucht es jetzt von allen einen Effort», sagt Bechtold. Auch die Wasserkraft müsse ausgebaut werden. «Auflagen bezüglich Umwelt und Gewässerschutz verhindern den Ausbau der Flusskraftwerke.» Schliesslich sei es notwendig, «technologieoffen» zu sein. «Von vier Kernkraftwerken befinden sich drei im Kanton Aargau. Mit diesem muss man auch künftig planen, damit wir auf eine sichere Stromversorgung zurückgreifen können.»

Wohlstand generieren

Ein wichtiges Thema Wahljahr wird die starke Zuwanderung sein. «Es ist ein Fakt, dass wir auf Arbeitskräfte angewiesen sind», sagt Bechtold. «Wenn man sie nicht im Inland rekrutieren kann, schaut man über die Landesgrenze hinaus.» Es sei wichtig, dass Unternehmen qualifizierte Leute, die sie benötigen, im Ausland holen können – sei es über das Freizügigkeitsabkommen mit der EU oder auch aus Drittstaaten. «Nur das gewährleistet, dass die Arbeit bei uns gemacht werden kann, damit wir Wohlstand generieren können.»
Philippe Pfister

QR-Code: Hier geht es direkt zum Gespräch mit Beat Bechtold, Direktor der AIHK