
Hitzefrei
Diese Woche wurde mir eine grosse Ehre zuteil, als ich in einer Medienmitteilung des Bundesamtes für Gesundheit Erwähnung fand. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat sich praktisch persönlich an mich gewandt und an meinem Beispiel dargelegt, dass Menschen in meinem Alter es bei diesen hohen Temperaturen unbedingt vermeiden sollten, sich in irgendeiner Weise anzustrengen oder an die Sonne zu gehen. Mein Kreislauf könne kollabieren und ich glaube sogar gehört zu haben, wie Alain Berset seiner früheren Bundesratskollegin zugeflüstert hat: «Sag einfach: Bleiben Sie zu Hause.»
Mit der bundesrätlichen Bescheinigung in der Hand tauche ich bei meinem Chef auf und verlange Hitzefrei. Dieser argumentiert jedoch, wir hätten ein kühles Büro, wohingegen ich ins Feld führte, zu Hause über einen schönen Bach im Schatten hinter dem Haus zu verfügen, wo ich die Füsse darin baden könne. Ausserdem hätte ich erst kürzlich in der Brocki für zwei Franken eine Karaffe erstanden, die mich seither, mit Wasser und Eis gefüllt, ständig begleitet. – Doch mein Chef entgegnet mir mit schlichter Logik, wir hätten im Büro auch einen Kühlschrank, ich müsse arbeiten kommen. Basta.
Ich gebe noch nicht auf und nehme mir ein Beispiel an denen, die, um ihre Begehrlichkeiten durchzubringen, zum Beispiel hinter dem US-Präsidenten eine lange, ekelerregende, schmierige Schleimspur ziehen. Welch Glücksbringer er doch sei, Donald, der Friedensstifter, Donald, der selbstlose Aufräumer. Donald, Retter der Wirtschaft und grösster Denker unserer Zeit. Vielleicht kann ich ihn ja auf diese Weise weichklopfen.Also trabe ich erneut bei meinem Chef an und lobe seinen ausgesprochen guten Kleidergeschmack, erinnere mich freudig an seinen schönen Artikel über die molekulare Zusammensetzung der Kantenrandsteine an Aarauer Bushaltestellen, westlich des Gönhard-Quartiers. Ich unterstrich, welch Glücksbringer er doch sei, Friedensstifter, grosser Denker, und so weiter.
Aber noch bevor ich das Formular im Internet gefunden hatte, um meinen Chef für den Friedensnobelpreis anzumelden, musste ich mich selber auslachen. Dass man für ein gutes Geschäft, für eine wohlwollende Zollpolitik oder einfach nur für Hitzefrei zur Nacktschnecke mutiert, fand ich ziemlich blöd. Man kann sich ja auch mal zufrieden geben mit dem, was man hat. Und in unserem Büro ist es wirklich schön kühl.
Remo Conoci, Redaktor