
Kevin Festival, Stephan Kino und Julia Schwipps
Es gibt Menschen, die führen ihre Kontaktliste wie ein Steuerberater seine Mandantenakte. Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Adresse, Arbeitgeber. Ich beneide solche Leute. Ehrlich. Denn ich habe seit über 15 Jahren ein völlig anderes System. Es ist chaotisch und unlogisch – aber ich liebe es. Ich speichere meine Kontakte nämlich nicht mit Vor- und Nachnamen ab. Stattdessen bekommen die Leute bei mir den Vornamen und den Ort oder den Anlass, wo ich sie kennengelernt habe. Herausgekommen ist dabei ein Sammelsurium an Einträgen, das sich liest wie ein absurdes Gesellschaftsspiel.
Da wäre zum Beispiel «Kevin Festival». War es am Greenfield, am Gränichen oder am Heitere? Ich habe keine Ahnung mehr, auf welchem Festival wir waren, was wir besprochen haben oder warum ich dringend seine Nummer haben musste. Ich weiss nur: Es war laut, wir hatten Schlamm im Gesicht und haben uns eine Dose Bier und eine Zigarette geteilt.
Oder «Julia Schwipps» – ein Kontakt, der an einem feuchtfröhlichen Abend entstanden ist. Ich erinnere mich vage daran, dass wir einen peinlichen Karaoke-Auftritt hingelegt haben.
Mein Favorit ist allerdings «Fabian von der Janine WG-Party». Ich habe Fabian nie wieder gesehen. Janine übrigens auch nicht. Aber der Kontakt ist noch da. Manche Kontakte sind mittlerweile wie kleine Zeitkapseln.
«Lisa Tennis», obwohl ich seit 15 Jahren kein Tennis mehr spiele. «Andrin Brighton», den ich bei meinem Sprachaufenthalt kennen gelernt habe. Oder «Stephan Kino», mit dem ich befreundet bin, seit wir gemeinsam als Platzanweiser im Kino Ideal gearbeitet haben. Auch das ist 15 Jahre her.
Manchmal überlege ich, ob ich dieses System irgendwann mal aufräumen sollte. Ausmisten oder dann richtig mit Vor- und Nachnamen. Aber dann denke ich mir: Warum? Diese Kontaktliste ist wie ein Tagebuch. Sie erzählt Geschichten von durchzechten Nächten, spontanen Begegnungen und schicksalhaften Zufällen. Sie erinnert mich daran, dass das Leben am schönsten ist, wenn es ein bisschen unordentlich ist.
Also falls ihr mich jemals anruft und auf meinem Display steht «Kathrin Hund im Park» – keine Sorge. Ich werde genau wissen, wer ihr seid und woher wir uns kennen. Sarah Moll