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Regierungsrat Dr. Markus Dieth war Festredner an der Bundesfeier beider Erlinsbach

Die beiden Erlinsbach Aargau, und Solothurn luden die Bevölkerung zur gemeinsamen 1.-August-Feier auf den «Gehrenhof» der Familie Stucki ein. In seiner Festansprache lobte der Aargauer Regierungsrat Markus Dieth die Schweiz, die Kantone, die Gemeinden und ihre Stärken. Er rief aber auch dazu auf, mutig zu sein und die Herausforderungen als Chance zu sehen: «Handeln Sie, denn wer nicht handelt, wird behandelt.»

Die Organisatoren der Bundesfeier in Erlinsbach mussten handeln, denn das Wetter zeigte sich an diesem 1. August nicht von seiner Sonnenseite. Für die Familie Stucki, die den «Gehrenhof» bereits seit 87 Jahren und mehreren Generationen führt, war das jedoch kein Problem. Landwirte sind es gewohnt, dass nicht immer die Sonne scheint und man zwischendurch schnell umdisponieren muss. Und so machte das Team um Daniel Stucki, Karin Strässle und Mutter Heidi Stucki das Beste aus der Situation, stellte Zelte auf, dekorierte in der Scheune und sorgten für eine würdige Bundesfeier, in der alle etwas näher zusammenrückten.

Nach einem von der Gemeinde offerierten Apéro und einer Begrüssung durch Gemeindepräsidentin Monika Schenker sangen die Anwesenden vier Strophen der Schweizer Nationalhymne, begleitet von der Musikgesellschaft Erlinsbach.

In seiner volksnahen und positiven Festansprache (Die ganze Rede finden Sie weiter unten), lobte der Aargauer Regierungsrat Dr. Markus Dieth die Vorzüge der Schweiz und motivierte die Anwesenden, sich für unser Land, aber auch für den Kanton und die Gemeinde einzusetzen. «In unserem Land können sich die Einwohnerinnen und Einwohner ganz direkt einbringen, anpacken und etwas bewegen.» Herausforderungen meistere man am besten, wenn man zusammen an einen Tisch sitze, rede, auch streite, aber dann zusammen entscheide und gemeinsam den Mut finde, anzupacken. «Nicht nur Angst ist ansteckend, auch Mut ist ansteckend», betonte Dieth weiter. Er forderte auf, wieder vermehrt aufeinander zuzugehen und gemeinsam in Richtung Zukunft zu steuern. «Seien wir mutig. Und handeln wir, denn wer nicht handelt, wird behandelt.»

Bei Ghackets und Hörnli mit Apfelmus oder Gmüeshörnli, aber auch feinem Dessert und Kaffee, genoss die Bevölkerung das Beisammensein.

«Es ist ein grosses Glück, dass wir in der Schweiz leben dürfen», brachte es ein Festbesucher abschliessend auf den Punkt. RAN

Die Rede von Regierungsrat Markus Dieth

Sehr geehrte Damen Gemeindepräsidentinnen, liebe Monika und Madeleine

Liebe Erlinsbacherinnen und Erlinsbacher

Liebe Gäste

Ich freue mich sehr, heute zusammen mit Ihnen zu sein, hier in den wunderschönen zwei Erlinsbach. Es ist mir eine besondere Ehre, dass ich an diesem 1. August zu den Erlinsbacherinnen und Erlinsbacher auf beiden Seiten des Erzbaches sprechen darf. Hier ist es etwas Besonderes: Nirgends sonst sind sich Aargauer und Solothurner so nahe wie hier in Erlinsbach. Erlinsbach ist zwar politisch getrennt, gleichzeitig aber verbindet es. Haben sich Solothurner und Aargauer früher noch über den Erzbach «angespeuzt», so wird heute zusammengearbeitet, geredet und auch gefeiert – so wie am diesjährigen gemeinsamen Dorffest zum 850-jährigen Bestehen Erlinsbachs. Nochmals ganz herzliche Gratulation. Gemeinsam engagiert man sich zusammen in der Kultur, Feuerwehr oder Jugendarbeit. Beim Hirschen-Wirt Albi von Felten essen die Gäste im Kanton Solothurn und übernachten dann im «Weinhaus» im Aargau. Erlinsbach ist ein lebendiges Dorf. Ein Dorf, das verbindet, nicht trennt. Erlinsbach ist Heimat. Und so ist Erlinsbach der perfekte Ort, die Schweiz zu feiern. Auch die Schweiz ist Heimat. Für uns alle. Für Menschen in Muri BE und Muri AG, in Wangen bei Olten und Wangen an der Aare, in Schafhausen im Emmental und Schaffhausen und für die Menschen in Erlinsbach. Die Schweiz verbindet uns. Und diese Verbundenheit schafft Halt, sie schafft Kraft und schliesslich auch gemeinsamen Erfolg. Zusammen sind wir stark!

Schweiz wächst in der Krise

Wir feiern heute den Geburtstag unseres Landes. In einer Zeit, die geprägt ist von Unsicherheit und Konflikten. Wir sprechen von Krisen und nicht mehr von Herausforderungen. Wir haben Krieg in nächster Nähe; wir haben Hitzeperioden und gleichzeitig Strommangellagen, wir hatten Corona etc. Ist das ein Grund dem Fatalismus zu verfallen? In geduckter Haltung zu erstarren? Nein! Denn, das Geschichtsbuch über das Heute ist noch nicht geschrieben. Wir haben den Schreibstift und unser Schicksal selbst in der Hand. Wir schreiben die Geschichte. Dazu braucht es vor allem eines: Mut und Zuversicht.

Wir Schweizerinnen und Schweizer müssen glücklicherweise nicht auf dem weissen Blatt anfangen. Wir haben das grosse Privileg, an eine bereits lange und erfolgreiche Geschichte anknüpfen zu können. Die Schweiz ist eine 732-jährige Erfolgsgeschichte. Wir Schweizerinnen und Schweizer haben zu jeder Zeit gezeigt, dass wir auch die grössten Herausforderungen und Veränderungen meistern können. Wir haben in jeder Krise auch eine Chance gesehen und diese dann tatsächlich beim Schopfe gepackt. Krisenfest? Nein, das ist auch die Schweiz nicht. Aber die Schweiz lernt aus der Krise und sie wächst in der Krise. Und sie ist (in der Regel) vorbereitet. Ein Beispiel im Zusammenhang mit unserem 175 Jahr-Jubiläum zur Schweizerischen Bundesverfassung. Die Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen, welche 1847 im Sonderbundkrieg mündete, war eine von vielen innerschweizerischen Auseinandersetzungen. Jedes andere Land wäre in der Folge auseinandergefallen. Nicht so die Schweiz. Hier hatte man den Mut, sich die Hand zu reichen. Bei uns hatte man den Mut zusammen einen neuen Weg zu beschreiten.

175 Jahre Bundesstaat – Geburtsstunde der modernen Schweiz

Im Jahr 1848, also vor genau 175 Jahren gründeten mutige Schweizerinnen und Schweizer den Bundesstaat. Davor war die Schweiz ein loser Staatenbund von Klein- und Kleinststaaten respektive von Städten und Landschaften. Die Kantone prägten ihr eigenes Geld. Sie stellten eine eigene Armee und betrieben eine eigenständige Aussenpolitik. Anders als heute, konnte man nicht einfach so in einen anderen Kanton oder in eine andere Stadt ziehen. Das ging nicht ohne Bewilligung der Obrigkeit. Das Niederlassungsrecht und auch die Mitbestimmungsrechte wurden vererbt und waren damit ein Privileg der Alteingesessenen. In den Kantonen und Gemeinden gab es verschiedene Klassen von Bürgern. Es gab die Vollbürger und es gab die «Hintersassen»: Die Hintersassen mussten nicht nur auf den hinteren Kirchenstühlen Platz nehmen, sie hatten auch keinen Zutritt zur Gemeindeversammlung, mussten oft zusätzliche Abgaben entrichten, durften kein Haus erwerben und nur unter erschwerten Bedingungen einen Bürger oder eine Bürgerin heiraten. Selbstverständlich konnten die Zugezogenen auch ohne weiteres wieder weggeschickt werden. Erst mit der Bundesverfassung von 1848 kam das Niederlassungsrecht und die Rechtsgleichheit. Wie die Erlinsbacherinnen und Erlinsbacher aus der Vergangenheit wissen, war es dann aber in der Praxis doch nicht immer so einfach, sich ennet der Kantons- und Konfessionsgrenze niederzulassen oder zu heiraten, auch wenn diese mitten durchs Dorf führte. Auch der Schweizerische Bundesstaat von 1848 war noch alles andere als perfekt. Aber es war die Grundlage für die moderne Schweiz: Die Schweiz, wie wir sie kennen; die Schweiz, die nicht nur mit Natur und Landschaft begeistert, sondern auch mit Wohlstand und Freiheit, Sicherheit und Stabilität, Solidarität und Gerechtigkeit – eine verbindende Schweiz.

Ein Erfolgsduo für die Schweiz: Demokratie und Föderalismus

Die Bundesverfassung von 1848 schaffte Rechtsgleichheit und ermöglichte damit ein zentrales Prinzip der Schweiz: unsere Demokratie. Gleichzeit behielten die Kantone ihre Souveränität. Nämlich dort, wo «ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist». Das ist das zweite zentrale Prinzip unserer Schweiz: der Föderalismus. Föderalismus und direkte Demokratie sind das eigentliche Erfolgsduo unseres Landes. Die direkte Demokratie garantiert, dass sich die Menschen aktiv für ihr Land engagieren und das Gemeinwesen tragen. Daraus entsteht nicht nur das Engagement für unser Land, daraus erwächst die Verbundenheit. Der Föderalismus sorgt dafür, dass jeder Kanton und jede Region seine Eigenheiten bewahren kann. Dass die Vielfalt der Schweiz gewahrt wird. Einheit in der Vielfalt! Treffend geben sich Schweizervolk und Kantone die Bundesverfassung mit den Worten in der Präambel: «im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben». Föderalismus garantiert Stabilität und fördert die gegenseitige Rücksichtnahme. Föderalismus steht für das Verständnis, dass jede und jeder Einzelne einen Beitrag für das grosse Ganze leistet. Jede Gemeinde, jeder Kanton ist wichtig. Das Ganze funktioniert nur, wenn die einzelnen Teile, wenn Kantone und Gemeinden, zusammenarbeiten. Föderalismus ermöglicht massgeschneiderte Lösungen. Jeder Kanton und jede Gemeinde kann individuell Lösungen finden, die auf das jeweilige Gemeinwesen zugeschnitten sind. Das führt zu einer Vielfalt an Lösungen, eine Vielfalt an Ansätzen, Herangehensweisen und Denkweisen. Und die besten Lösungen, werden von den anderen immer weiterentwickelt und so zu noch besseren Lösungen. Somit haben im schweizerischen System Gemeinden wie Erlinsbach eine ausserordentlich grosse Bedeutung. Hier können sich die Einwohnerinnen und Einwohner ganz direkt einbringen, anpacken und etwas bewegen.

Vielfalt, das grosse Plus im Schweizerkreuz

Vielfalt, meine Damen und Herren, ist ein grosses Plus der Schweiz. Ich komme nochmals zurück auf den Sonderbundskrieg und die Gründung des modernen Bundesstaates vor 175 Jahren. Zu dieser Zeit gab es verschiedene Vorstellungen davon, welchen Weg die Schweiz gehen sollte. Exemplarisch für diesen Konflikt stehen zwei Männer dieser Zeit: Der eine, ein Liberaler, der Zürcher Dichter Leonhard Widmer, drückte seine Liebe zur Schweiz in seinen Texten aus. Der andere, ein im Kloster Wettingen im Aargau lebender konservativer Zisterziensermönch namens Alberik Zwyssig, der eben für die konservative Schweiz stand, mit der Musik. Zusammen, aus einem Text des Liberalen und der Komposition für das Kirchenlied «Diligam te Domine» des konservativen Zisterziensermönchs, wurde unser Schweizerpsalm, unsere heutige Nationalhymne zusammengefügt – und damit ein echtes Symbol unserer gelebten Einheit in der Vielfalt. Denken wir daran, wenn wir unsere Nationalhymne singen. Auch wenn ihre Idee von der Schweiz damals unterschiedlich war, ist schliesslich ein gemeinsames Werk entstanden; ganz im Sinne der Einheit in der Vielfalt.

Mutig sein im Angesicht der Herausforderungen

Liebe Festgemeinde, uns geht es gut. Dennoch müssen wir uns die dringende Frage stellen, wie wir den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen begegnen wollen. Die Geschehnisse in der Welt machen nicht Halt vor Landesgrenzen, auch vor unseren nicht. Die Schweiz ist keine Insel. Was in der Welt geschieht, das hat auch ganz direkt Auswirkungen auf unser Land und auf uns. Es ist darum wichtig, dass wir Schweizerinnen und Schweizer uns nicht ins Reduit zurückziehen, sondern unsere Lage im Herzen Europas und als Zentrum von vielen internationalen Organisationen aktiv und nach Kräften nutzen. Dass wir uns auch für Zusammenarbeit, Verständigung und Frieden in Europa und in der Welt einsetzen. Wir sind auch gefordert, das Verhältnis mit den Staaten in Europa zu erneuern und zu festigen. Nicht dank der Abschottung, sondern dank Offenheit und Handel haben wir uns zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt entwickelt. Und darum ist eine enge Zusammenarbeit auch mit den europäischen Ländern wichtig, ohne dass wir unsere Souveränität, Neutralität oder direkte Demokratie aufgeben müssen. Gehen wir darum auf unsere Partner zu: mit Mut und Zuversicht.

Seien wir mutig

Mut hat zum Bund der drei Urkantone im August 1291 geführt. Mut hat zur Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 geführt. Und heute? Hand aufs Herz: Wir Schweizerinnen und Schweizer schätzen uns im Vergleich mit unseren Nachbarn nicht als übermässig mutig ein. Wer wäre nicht gerne mutiger? Wer würde nicht gerne mal «Nein» sagen oder den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren. Wer möchte nicht gerne einfach einmal auf den Tisch klopfen? Offen die Meinung sagen? Ja, die Sehnsucht nach Mut ist in unserem Land gross. Wir Schweizerinnen und Schweizer würden gerne mutiger sein. Wir sollten auch mutiger sein. Die Schweiz ist keine Insel. Auch wenn viele unser Land so sehen: Als eine Insel mitten in Europa, eine Insel der Stabilität und des Wohlstands. Die Schweiz ist aber vielmehr ein grundsätzlich wendiges und agiles Schnellboot. Wenn auch eines, das an einer ruhigen Bucht fest geankert hat. Aber auch unser Boot kann schaukeln, wenn Stürme der Weltpolitik über die See ziehen. Auch unser Boot ist nicht gefeit davor, dass die grossen Fischschwärme in eine andere Bucht ziehen. Es ist darum wichtig, dass wir den Anker auch mal lösen. Uns in Bewegung setzen. Schauen, wo uns die Winde hintragen. Wir werden sehen: Unsere Schweiz wird nicht von einem wilden Strudel erfasst und in die Tiefe hinabgezogen. Unser Boot ist genug stabil und wir Schweizerinnen und Schweizer sind fähig, den Kurs zu justieren und der Wetterlage und dem Seegang anzupassen, wenn es denn sein muss. Es ist aber wichtig, dass es vorwärts geht. Denn ein Land, das stehen bleibt, fällt zurück. Liebe Festgemeinde, wir alle wollen unsere Heimat bewahren. Das geht nur, wenn wir uns mit dem Mut der Jugend um unsere Zukunft kümmern. Wenn wir zusammen vorwärts gehen und zwar ohne das Bewährte über Bord werfen. Gehen wir darum mit Freude am Leben, mit Zuversicht und Mut voran. Gerade in schwierigen Zeiten ist Mut gefragt. Nur wer bereit ist, die ausgetretenen Pfade zu verlassen, kann Erfolg haben. Nur wer sich auf Neues einlassen kann, wird bestehen können.

An unserer Zukunft bauen

An der Schweiz bauen wir seit 732 Jahren. Erlinsbach gibt es bereits seit 850 Jahren. Mit Tatkraft, Heimatliebe und dem nötigen Optimismus haben wir zu jeder Zeit an unserer Zukunft gebaut. Unsere Schweiz ist erfolgreich, weil sich die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden engagieren. Weil wir mutig, offen und innovativ sind. Weil wir uns nicht auseinanderdividieren lassen, sondern die Einheit in der Vielfalt leben. Liebe Schweizerinnen und Schweizer, es sind vielfach gerade die kleinen Gemeinden, die uns vormachen, wie dies geht. Herausforderungen meistern wir am besten, wenn wir zusammen an einen Tisch sitzen. Indem wir zusammen reden, zusammen streiten, aber dann zusammen entscheiden und dann auch gemeinsam den Mut finden etwas anzupacken. Denken wir daran: Nicht nur Angst ist ansteckend, auch Mut ist ansteckend. Nehmen wir Anlauf! Gehen wir wieder vermehrt aufeinander zu, und gehen wir gemeinsam in Richtung Zukunft. Seien wir mutig. Und handeln wir, denn es gilt: "Wer nicht handelt, wird behandelt."

Regierungsrat Dr. Markus Dieth