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Wenn das Strohhaus mit Schilf gedeckt wird

Seit dem 20. Juli ist der ganze Bereich um das Kölliker Strohdachhaus für Besucher gesperrt. Das riesige Dach wird neu gedeckt. Die Arbeiter auf dem Dach sind Ungaren und Schweizer, gesprochen wird aber Holländisch. «Dies hat einen einfachen Grund», sagt Andreas Bergamini. «Für ein so grosses Dach wie es das vom ‹Salzmehuus› benötigen meine Leute und ich zusätzliche Hilfe.» Die ausgewiesenen Fachmänner aus Ungarn sind in Holland bei einem Kollegen von Bergamini angestellt und konnten von ihm für diesen speziellen Auftrag ausgeliehen werden. Zudem kommt auch das verwendete Schilf aus Ungarn. Dort wird es seit vielen Jahren explizit für das Decken von Stroh- und Schilfdachhäusern angebaut.

Ein schweisstreibender Job
Unglaubliche 900 Quadratmeter Fläche hat das Dach des Kölliker Dorfmuseums. Damit ist es das zweitgrösste der Schweiz, nur gerade übertroffen vom Strohdachhaus an der Schönenwerderstrasse ebenfalls in Kölliken. Im Abstand von 30 Zentimetern wir ein Bund Schilf nach dem andern auf der Verlattung des Daches positioniert, grob von Hand ausgerichtet und danach mit dem Klopfbrett genau an die Neigung und die Form des Daches angepasst. Auf die Frage ob man denn nun das Strohhuus in Schilfhuus ändern muss, sagte Bergamini lachend: «Nein, das muss man nicht. Der Giebel wird mit »gezöpfeltem« Stroh gefertigt und auch die sichtbaren Bereiche der Dachuntersicht werden nach den Vorgaben der Denkmalpflege mit Stroh gemacht.» Warum eigentlich Schilf und nicht Stroh? Auch dafür gibt es von Bergamini eine einleuchtende Erklärung. Strohhalme sind maximal 140 Zentimeter lang. Die Schilfbündel sind aber 180 bis 220 Zentimeter lang. Man kann sich also gut vorstellen, dass Regenwasser auf diese Länge besser abgeführt wird.

Die Männer auf dem Dach sind wahrlich nicht zu beneiden. Das 15 Meter hohe Dach mit einer Neigung von 45 Grad verlangt vollen Körpereinsatz und gibt richtig dicke Waden. Bei über 30 Grad Hitze, wie in den letzten Tagen vor dem 1. August, sicher ein Job der nicht für jedermann geeignet ist.

Duttweilers Haus als Einstieg
Andreas Bergamini hat sein Geschäft in Lausen BL. Der gelernte Dachdecker ging kurz nach seiner Abschlussprüfung für zwei Jahre nach Holland. Dort erlernte er das Handwerk, das er heute bald einmal als letzter Schweizer noch kann. Nach der Rückkehr aus Holland hängte der junge Dachdecker gleich noch die Meisterprüfung an. Dann ging es Schlag auf Schlag. «Ich arbeitete in der Nähe von Rüschlikon und ging mit meinen Kollegen immer in den Dutti Park zu Mittagessen.» Schnell einmal fiel Bergamini der schlechte Dachzustand des Duttweiler Hauses auf. Einen Mitarbeiter des Parkes auf diese Tatsache angesprochen meinte dieser, dass man sich darüber schon im Klaren sei, dass man aber auch nach zwei Jahren intensiver Suche keinen Betrieb gefunden habe, der dieses Dach fachmännisch instand stellen könne. «Beinahe schon dreist sagte ich damals: Eure Suche ist zu Ende ich mache das.» Damals war der junge Mann -gerade einmal 23 Jahre alt. Seither hat Bergamini schon vielen Häusern ein neues, dichtes Dach beschert.

Als Kulturgut erhalten
Zum Schluss sagte der 62-Jährige: «Es gibt in der Schweiz nur noch rund zehn mit Schilf oder Stroh gedeckte Häuser. Ich würde mir wünschen, dass sie alle als Kulturgut erhalten bleiben.»

In der dritten Woche August rechnen Andreas Bergamini und sein Team, dass die Arbeiten am Salzmehuus in Kölliken erledigt sind.