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Der Mensch hinter der Schlagzeile: Markus Häfliger über Medienkrise und Lobbyarbeit

«Was bleibt von einem Beruf, wenn selbst die Besten aufgeben?» Dieses Zitat aus Rafaela Roths Reportage über die Schweizer Medienkrise im NZZ am Sonntag Magazin bildete den Ausgangspunkt für die Einladung an Markus Häfliger, den Referenten des traditionellen, überparteilichen Politapéros im Wygärtli in Erlinsbach.

Die Wahl Häfligers erwies sich als Glücksfall. Der Journalist war 22 Jahre lang Bundeshauskorrespondent für die NZZ am Sonntag, die NZZ und den Tages-Anzeiger. Ein ausgewiesener Kenner des politischen Geschehens in Bern, dessen Arbeit mehrfach ausgezeichnet wurde. Erst im April erhielt er gemeinsam mit Thomas Knellwolf für ihren Artikel «Die gekaufte Demokratie» im Tages-Anzeiger den Swiss Press Award Text 2025. Dieser aufsehenerregende Bericht über gefälschte Unterschriften bei Volksinitiativen, Häfligers letzte Geschichte als Journalist, erschütterte die Schweiz und warf grundlegende Fragen zur direkten Demokratie auf.

Bundeshausjournalismus: Ein Kampf David gegen Goliath

In seinem lebendigen Referat führte Markus Häfliger die Zuhörer von seinen journalistischen Anfängen beim Aargauer Tagblatt, unweit des Veranstaltungsortes, zu seiner Berufung ins Bundeshaus im Jahr 2002. Er schilderte eindrücklich die immense Informationsflut, mit der die sechs Bundeshauskorrespondenten des Tages-Anzeigers täglich konfrontiert waren – ein ungleicher Kampf wie David gegen Goliath. Auf der einen Seite die Journalisten, auf der anderen Seite die Departemente, 70 Bundesämter, Parteien, 40’000 Bundesangestellte sowie Hunderte von Mediensprechern und Lobbyisten. Oftmals eine kaum zu bewältigende Herausforderung für die Medienschaffenden. Während wöchentliche Pressekommuniqués und die Berichterstattung über das Parlament die Pflichtübungen darstellten, strebten die Journalisten danach, hinter die Kulissen zu blicken und kritisch zu hinterfragen. Sie wollten auch über jene Themen berichten, die die Mächtigen lieber verschwiegen hätten. Häfliger illustrierte dies anhand von Beispielen, etwa wie ein Zeitungsartikel nach dem zögerlichen Vorgehen des Bundesrats zu Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts endlich Bewegung in die Sache brachte. Oder die Aufdeckung der Kasachstan-Affäre im Jahr 2015, bei der kasachische Politiker über Schweizer Lobbyisten und Politiker Einfluss auf die Schweizer Politik nahmen.

Die Krise der Medien

Markus Häfliger betonte seine Leidenschaft für den Journalismus. Das politische Spiel, die täglich wechselnden Themen und die Begegnungen mit neuen Menschen hätten ihn fasziniert. Journalismus sei für ihn eine legitime Art seine Neugier zu befriedigen. Als er über die Veränderungen in der Medienlandschaft sprach, wurde seine Stimme ernster und kämpferischer. Er habe die drastischen Auswirkungen der rasanten Online-Entwicklung auf die ökonomische Lage und die Zerstörung des Geschäftsmodells der Printmedien hautnah miterlebt. Der Verlust der Medienvielfalt, Fusionen, Sparprogramme und Entlassungen seien die Folgen. Kaum jemand sei sich des prekären Zustands der privaten Medien bewusst, mahnte er die Zuhörer. Doch seriöse Information sei unerlässlich für eine funktionierende Demokratie. Es brauche den Mainstream und nicht nur die Filterblasen alternativer Medien, die oft nur ein begrenztes Publikum erreichten. Notwendig sei eine breite Diskussion über politische Lager hinweg.

Eine Stimme für die Stimmlosen: Der Wechsel zur Lobbyarbeit

Nach 22 Jahren im Bundeshaus hat Markus Häfliger nun die Seiten gewechselt und ist selbst zum Lobbyisten geworden – für die Heilsarmee. Vom Beobachter zum Interessenvertreter. Und er scheint in seiner neuen Rolle aufzugehen. Obwohl die Heilsarmee bekannt sei, existiere oft eine «Blackbox» um ihre Arbeit. Seine Aufgabe sei es nun, Licht in diese Blackbox zu bringen. Er habe im Journalismus stets viel Sinnhaftigkeit erfahren, und das sei bei der Heilsarmee nicht anders: «Ich möchte eine Stimme für die Stimmlosen sein und dafür im Bundeshaus Einfluss nehmen», schloss er seine Ausführungen.

Es mag für die Medienschaffenden ein kleiner Trost sein, dass einer ihrer Besten die Seite wechselt, um sich in den Dienst der Schwächsten zu stellen. Die zahlreichen Zuschauer dankten Markus Häfliger mit grossem Applaus für seine Einblicke ins Bundeshaus. Das Haus, das manchmal weit weg scheint, aber trotzdem prägend für unser Leben ist. Andreas Bärtsch

Markus Häfliger war 22 Jahre Bundeshauskorrespondent für die NZZ am Sonntag, die NZZ und den Tages-Anzeiger. Seit kurzem arbeitet er nun als Lobbyist für die Heilsarmee.
Bild: Pascal Fässli