Sie sind hier: Home > Sport > Zum Bastelprofi und Küchenchef mutiert

Zum Bastelprofi und Küchenchef mutiert

Die gebürtige Suhrer Handballerin Pascale Wyder und ihr spezieller Start ins Bundesliga-Abenteuer bei Frisch Auf Göppingen.

Zum ersten Mal alleine wohnen, zum ersten Mal eine Klasse als fertig ausgebildete Lehrerin unterrichten, zum ersten Mal als Handballerin im Ausland tätig und zum ersten Mal mit einer Pandemie konfrontiert. In Pascale Wyders Leben ist zuletzt kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Und als ob das nicht schon der Veränderungen genug wäre, musste die 25-jährige Suhrerin die vergangenen zwei Wochen auch noch alleine in ihrer neuen Wohnung in Göppingen verbringen, nachdem bei einer Teamkollegin Covid-19 festgestellt worden war. «Wir werden bei Frisch Auf jede Woche getestet», erzählt Pascale Wyder, «bevor wir ein Spiel absolvieren dürfen, müssen alle einen negativen Test, der nicht älter als ein paar Tage ist, vorweisen. Das verlangt die Liga so.»

Plötzlich viel Zeit
Dabei ist eine Akteurin «hängen geblieben», mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamte Equipe und die Betreuer. Es bedeutete 14 Tage ohne physischen Kontakt mit anderen Menschen – ausser natürlich mit Personen aus dem gleichen Haushalt. Da Pascale Wyder in der 57’000-Einwohner- Stadt alleine wohnt, war die Quarantäne verbunden mit ungewohnt viel Zeit. «Um fit zu bleiben, haben wir alle ein Spinningvelo nach Hause geliefert bekommen», sagt die Spielmacherin. Die Handballerinnen haben auch ein Krafttrainingsprogramm erhalten und Inputs, um Täuschungen in der eigenen Stube zu trainieren. «Es ist ziemlich speziell, aber es bleibt uns ja nichts anderes übrig», sagt die zweifache Schweizer Meisterin und Cup-Siegerin mit den Spono Eagles. Daneben hat sie viel Stoff für die Schule vorbereitet, gelesen, Sachen für Weihnachten gebastelt und gekocht. «Wenn du schon einmal so viel Zeit übrig hast…»

Grosse Unterstützung
Dennoch ist sie nun froh, dass zumindest vorerst alles wieder einigermassen in den Normalbetrieb übergeht. So muss sie sich beispielsweise auch die Esswaren nicht mehr von Bekannten, Nachbarn oder Fans an die Haustüre liefern lassen. «In den ersten paar Tagen hatte ich mit der Situation etwas zu kämpfen, obwohl die Unterstützung von allen Seiten sehr gross war», verrät Pascale Wyder. Vermisst hat sie vor allem den sozialen Kontakt, der in den vergangenen zwei Wochen nur über Computer und Telefon stattgefunden hat, das Training in der Halle, aber auch die Zeit in der Schule, in der sie mit einem 50-Prozent-Pensum eine 3. Klasse unterrichtet. «Ich habe aber auch Respekt vor dem Wiedereinstieg auf dem Handballfeld, da ich nicht weiss, wo ich genau stehe und wir im Cup eine Runde weiterkommen wollen», erklärt die 42-fache Schweizer Nationalspielerin.

Vor dem persönlichen Lockdown hatte sich Pascale Wyder im neuen Umfeld gut eingelebt. «Es gefällt mir hier sehr gut», sagt sie, «der Verein, der Trainer und die Mannschaft sind super.» Und auch in der Bundesliga scheint «Pasci» gut angekommen zu sein. Von bisher fünf Meisterschaftsspielen konnte sie mit Frisch Auf deren zwei gewinnen, bekam viel Spielzeit, erzielte pro Partie drei Treffer und wurde von einem deutschen Handballmagazin, «etwas überraschend» wie sie sagt, zweimal ins Team der Runde gewählt. Im Vergleich mit der höchsten Liga der Schweiz, sei die Bundesliga, vor allem was die Professionalität und die Breite betrifft, schon ein anderes Kaliber. «Es sind alle Mannschaften ähnlich stark und man darf sich nie ausruhen.»

Schweizer Trio ist in Göppingen
Um ihre Saisonziele, ein Rang um Platz zehn, zu erreichen, dürfen die Göppinger Frauen gleich auf drei Schweizerinnen. Neben Pascale Wyder gehören auch die momentan noch rekonvaleszente Lisa Frey und Romy Morf-Bachmann zum Rückraumaufgebot der Mannschaft. «Romy hat mir am Anfang sehr geholfen», sagt Pascale Wyder, «für Lisa und mich war es, bereits bekannte Gesichter wiederzusehen. Meine Zeit verbringe ich aber mittlerweile mit vielen verschiedenen Teamkolleginnen.» Und ab und zu auch mit Besuch aus der Schweiz. Freunde und Familie haben, zumindest so lange man über die Grenze reisen durfte, in Deutschland regelmässig nach dem Rechten geschaut. «Am Anfang war es ein bisschen schwierig, wenn meine Eltern wieder abgereist sind», so Pascale Wyder, die in Göppingen bis 2022 unterschieben hat, «aber Heimweh hatte ich nie. Das einzige, was mir momentan etwas Sorgen macht, sind die Gedanken an Weihnachten. Es vergehen ja noch einige Wochen bis dorthin, aber wenn ich tatsächlich nicht mit der Familie feiern könnte, würde mich das schon stressen.»